BoddenRacer

Das Duell – Blaues Band vom Schweriner See

August 2016 – ein Bierstand, zwei Bootseigner, eine Wette. Wer ist schneller: Melges24 oder 20er Rennjollenkreuzer? Mit jedem Drink werden die Bootseigner selbstbewusster, die Boote immer schneller, der Bugspiet immer länger und die Winkel im spitzer. Das Duell muss ausgesegelt werden.

Fünf Jahre später, 3.Oktober 2021, war es nun soweit. Blaues Band vom Schweriner See. Ein Mal in alle Ecken des Schweriner Innensees. 20 Kilometer. Der See kocht bei 5 – 6 Windstärken aus Süd.

Die 20er Rennjollenkreuzer sind einfach schicke Kisten! Aber was heißt hier „einfach“? Alles „was man an den Mast kann nieten“ wird auch gemacht. Holzoptik in toller Symbiose mit dem begehrten neumodischen schwarzen Material. Auch PBO wird hier gerne verbaut. Wirklich schön anzusehen und richtig schnell! Haben wir uns doch übernommen?

20er Jollenkreuzer
Schnittiger Rumpf und ein riesiger Spi. Foto: Hartmut Braun

An Land wird sich noch vorsichtig beschnuppert. Die skeptische Frage ob der Wichardhaken nicht etwas üppig dimensioniert ist, wird selbstbewusst mit dem enormen Druck auf dem 20er Rigg beantwortet. Der Skipper des 16ers erkundigte sich bei uns nach dem Yardstick um ein Gefühl für die Melges zu bekommen und war auf die Antwort wohl nicht ganz vorbereitet. Der DSV hat das kleine 24 Fuß Scheißerchen gerade noch mal auf stolze 88 runtergestuft. Da haben Buddy Melges und Co Anfang der 1990er einen klasse Job gemacht.

Aber wie geht die ganze Sache wirklich aus? Die Yardstick-Zahlen mögen zwar für uns sprechen, aber was heisst das schon? Gunnar merkt noch an, dass er das letzte Mal vor zwei Jahren einen Fuß auf das Schiff gesetzt hat. Na dann los. Kurze Rollenverteilung und ab geht’s.

Tim hat uns das ganze eingebrockt und übernimmt auch auf dem Wasser die Verantwortung und beobachtet den Gegner. Gunnar hat von den Jahren an der Spischot sowieso schon die längesten Arme. Lovis kennt sich mittlerweile auf allen Vorschiffen und eben auch dem Schweriner See aus. Sein Vater Tom schwelgt in Kindheitserinnerungen und navigiert uns sicher um die Steine in seiner alten Heimat. Philipp, als Leichtester, darf hinten an‘s Rohr.

Einige der gemeldeten Schiffe kommen bei dem Wetter nicht raus zum Spielen. Aber es versammelt sich trotzdem ein illustres Feld an der Startlinie vorm Schweriner Yacht-Club: ein 420er, einige Surfer, ein paar kleine Strandkatamarane, ein Kutter, eine Hanse 301, ein Zeesenboot, ein Vierteltonner. Und eben ein paar hochgezüchtete Jollenkreuzer und das schlüpfrige Scheißerchen “Slippery when wet” aus Greifswald.

Melges24 "Slippery when wet"
Mal kurz den Schweriner Innensee vermessen. Fotos: Hartmut Braun

Startkreuz nach Süden zum Zippendorfer Strand, dann halbwind durch die Landabdeckung nach Osten. Wer traut sich dichter unter Land? Auf der Kreuz fahren die 20er Jollenkreuzer höher, die Melges24 aber einen Ticken schneller. Erstmal eine gute Erkenntnis. Dem 30er fliegt schon vor dem Start die Fock um die Ohren. Halbwind scheinen die 20er besser zu rutschen und auf einmal kommt auch so ein Strandkat angeflogen. Na gut. An der Südost-Ecke der Insel Ziegelwerder gehen die Spis hoch. Jetzt wird es spannend. Die Melges ist bei dem Wind in ihrem Element und hat konstante 12-13 Knoten auf der Uhr. In Spitzen auch mal 15 oder 16. Aber eben im Zickzack vor dem Wind. Die Jollenkreuzer sind 100m achteraus und gehen mit ihren riesigen Spis auf direkten Vorwindkurs nach Norden. Die Melges ist zwar schneller, muss aber unter Gennaker wesentlich mehr Weg fahren.

Unterm Strich können wir den Jollenkreuzern auf dem knapp 4 Seemeilen langen Downwind ca. 300m abnehmen. Das reicht um ein bisschen beruhigter auf die Kreuz zurück zu gehen. Die drei Surfer mit Foils sind da schon lange im Ziel. Eine andere – geile – Welt. Direkt vor dem Schweriner Schloss schlüpfen wir gerade noch so vor den beiden heran rasenden Strandkats über die Ziellinie und werden nach ca. 85 Minuten Vierte. Gerade noch so schnellestes Boot mit Rumpf. Knapp fünf Minuten dahinter kommen die beiden 20er Jollenkreuzer rein.

Bei der Siegerehrung fällt am Nachbartisch dann schon das ein oder andere Mal das Wort ‚Melges‘. Bisher war wohl eher selten ein Kielboot das schnellste Schiff auf dem See.

Tja, so kann man schon mal einen Feiertag verbringen. Ein kleines bisschen aufwendig, aber für diesen Spaß hat sich das gelohnt. Am Ende kann sich jedenfalls niemand mehr erinnern, um was damals am Bierstand eigentlich gewettet wurde.

Jetzt kann das schlüpfrige Scheißerchen nun auch nach der ausgiebigen Süßwasserspülung mit einem zufriedenen Grinsen Winterschlaf halten und schonmal von neuen Taten im nächsten Jahr träumen.

Danke an alle Schweriner für die Gastfreundschaft und für eine coole Regatta.

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