Meist liest man ja hier davon, wie toll die Segler auf den Regatten dieser Welt gesegelt sind. Aber wie sieht eigentlich die andere Seite aus? Seitdem studienbedingten Umzug nach Hamburg engagiert sich Mattes Köppe bei verschiedenen nationalen Titelkämpfen in den Wettfahrtkomitees. Hier ein detailierter Einblick hinter die Kulissen der Travemünder Woche …
Einige sollen ihren Sommerurlaub ja im 17. Bundesland Mallorca oder woanders am Mittelmeer verbringen, einige verbringen ihn sogar auf anderen Kontinenten. Hauptsache schön sonnig und warm.
Leider gibt mein kleiner Studentengeldbeutel sowas nicht her und Wärme/Hitze haben wir ja diesen Sommer auch in Deutschland genug. Was tut man also? Richtig! Ganz einfach: Man zieht nach Hamburg, fragt beim NRV (Norddeutscher Regatta Verein), ob man nicht bei Regatten helfen kann, um die Wettfahrtleiterlizenz aufrecht zu erhalten, macht dann im Herbst einen guten Eindruck auf den Wettfahrtleiter und Clubchef bei der 2.4mR Deutschen Meisterschaft, friert sich dann im März nochmal kurz die Gliedmaßen beim Budweiser Budvar Cup ab und schwupps darf man mit zur Travemünder Woche als stellvertrender Wettfahrtleiter auf einer NRV Bahn. Kinderspiel also…
Was das nun mit Urlaub zu tun hat? Gute Frage eigentlich. Auf den ersten Blick nicht viel. 5 Tage des wohlverdienten Urlaubs (ja auch als Student kann man nur 30 Tage Urlaub haben) zu opfern, um dann jeden Tag um 6.30 Uhr aufzustehen, dann Brötchen zu holen und danach die eine Hälfte des Teams, nach einer durchfeierten Nacht, aus den Betten zu scheuchen, klingt nicht wirklich nach Urlaub. War es auch nicht wirklich! Aber sollte es ja auch nicht. Denn zum einem war es kostenlos, gut für den Studentengeldbeutel, und zum anderem war es trotzdem schön, was nicht nur am Wetter lag. So ein bisschen Arbeiten und früh aufstehen verschmerzt man da schon.
Also wie lief das Ganze ab? Erstmal muss man Papa nach dem Bus fragen, mit dem Bus nach Hamburg düsen, ein paar Tage arbeiten, Sachen packen, Bus nehmen, Motorboot vom NRV mitnehmen und ab nach Travemünde fahren. Und dann steht man da und wartet. Stau. Immer noch besser als auf der A20, da nur stockender Verkehr, aber trotzdem nervtötend. Aber na gut so ist das halt in den Sommerferien. Also verspätet ankommen und erstmal Motorboot zum Kranen abhängen und auf zum Haus, unser Wohn und Schlafplatz für die nächste Woche. Ein schönes Haus mit 3 separaten Ferienwohnungen und in laufbarer Distanz vom Regattageschehen.
Am Freitag stand dann nicht mehr viel an. Das Startschiff und die Motorboote mussten ausgerüstet werden und so ein herzhaftes “Nein” vom Lagerverwalter war ich ja dank Klaus schon gewohnt.
Nachdem wir dann doch irgenwie fast alles bekommen hatten was wir brauchten, ging es auf zum Haus, Spaghetti essen. Spät am Abend kam dann auch endlich unser Wettfahrtleiter, welcher aufgrund eines Gewitters in München nicht losfliegen durfte.
Kurzes Teammeeting und dann gings auch schon in das Bett. Ich war in einer Etage/Wohnung mit den über 40-Jährigen, zusammen in einem Zimmer und Doppelbett mit Opi. Und wenn ich bis dahin dachte Papas und Brandys Schnarchen wäre schlimm, wurde ich in den folgenden Nächten eines besseren belehrt…
Der Rest des Teams waren junge Männer im Alter von 17 bis 25 aus Hamburg und Bayern. Unser Wettfahrtleiter Leah-Noel Gonseth war auch “nur” 22 Jahre jung, hat aber einen super Job gemacht.
Samstag ging es dann los, mit dem ersten Teil auf unserer Bahn Hotel. Zuallererst mussten wir die Partygänger, die um 4.30 Uhr nach Hause gekommen waren, aus ihren Betten, beziehungsweise dem Strandkorb scheuchen und wach kriegen. Schnarchen war also das geringere Übel. Dann ging es auch schon los, mit der ersten Wettfahrtleiter Versammlung, bei der mir dann kurzfristig gesagt wurde, dass wir 2 Steuermannsbesprechungen zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten hätten, ich also eine machen müsse. Also nichts wie hin zum Möwenstein und einigermaßen verwirrt die Steurmannsbesprechung der Finns gemacht, während Noel die der RS 500, RS Aero und RS Feva gemacht hat.
Und dann gings auch schon aufs Wasser. Noch hatten wir fast alle Bahnen für uns, da die meisten noch mit Vermessung beschäftigt waren. Der erste Tag war dann ereignislos, außer dass wir in der ersten Wettfahrt vergessen haben die Kurse (Inner- oder Outerloop) zu ändern. Das ist uns dann aber auch nie wieder passiert. Das Wetter war traumhaft mit Sonne satt bei mäßigen bis leichten Winden.
So verlief die erste Hälfte bei leichtem Wind und sehr viel Sonne und Hitze. Sonntag gab es dann auch schon mal 3 Stunden Startverschiebung, bei denen dann auch mal Nacktbaden in der Ostssee angesagt war. Ab Samstag wurde es dann auch langsam voller auf der Ostsee und ab Montag waren dann alle draußen. Die anderen Bahnen hatten nicht immer soviel Glück wie wir mit dem Wind, sodass die Laser auch schonmal stundenlang Startverschiebung hatten, während wir entspannt unsere 3 Tageswettfahrten gesegelt sind, um ihnen danach unseren Kurs zu überlassen. Aber auf die Thermik am Nachmittag war eigentlich immer Verlass.
Mittwoch hatten wir dann unseren freien Tag. Das hieß: später aufstehen und entspannt die Boote für die 2. Wochenhälfte umrüsten, während die anderen segelten. Dadurch, dass der Klassenpräsident der RS Klassen bei uns auf dem Startschiff mitgeholfen hat, konnten wir Mittwoch auch ein paar RS Aeros (über Funk wurden sie auch schon das ein oder andere Mal als RS Oreos bezeichnet) ausprobieren. Wir haben also schnell 4 Boote aufgetakelt, uns 2 Motorboote geschnappt und sind rausgefahren. Da der Klassenpräsi schon die ganze Woche von den Booten geschwärmt hat und davon, wie viel besser als ein Laser sie seien, musste dies natürlich ausgetest werden. Zum Glück fuhren ja genug Laser draußen rum. Also schnell unser Laser Ass Theresa gesucht und sie zum Trimmvergleich herausgefordert. Im Laser kann ich sie nicht mehr schlagen, dann nehm ich halt ein anderes Boot! Und leider muss ich eingestehen, dass ein RS Aero besser als ein Laser Radial ist und ich somit glücklicherweise gegen Theresa gewonnen habe.
Mittwoch war dann auch noch Helferessen auf der Passat, einem echt schönem Viermaster und, wie jeden Abend, eine anschließende Lasershow mit Pyrotechnik Einlagen.
Ab Donnerstag hatten wir nun die Formula 18 und O-Jollen auf der Bahn Charlie (wir hatten mit den Lasern getauscht, damit sie näher an Land sind). Ich durfte wieder eine Steuermannsbesprechung machen, diesmal bei den F18 und ich war vorbereitet. Dachte ich zumindest, bis ich gefragt wurde, ob ich das auch auf Englisch machen könne. Also schnell alles Schulenglisch zusammen gekratzt und versucht O-Jolle zu übersetzen, sowie Kurse zu erklären.
Dann ging es auch leicht verspätet nachmittags raus, mit der einsetzenden Thermik. Eines sei hier vorweg gesagt: O-Jollen und F18 auf einer Bahn ist eine echt Suboptimale Kombination und erforderte einige Kreativität bei der Kurserstellung (zwei Luvtonnen mit Dreieck für die O-Jollen und Up and Down für die F18, sowie leeseitigem Ziel neben dem Startschiff), was sofort dazu führte, dass die Hälfte der O-Jollen zu früh in das Ziel fuhr. Ohne die vorher ausgeteilten Kursblätter, welche sie mit auf das Wasser genommen haben, hätten sich wahrscheinlich fast alle versegelt. Dann waren auch noch die Ankerleinen der Tonnen zu kurz, weil wir nicht auf die Wassertiefe der Bahn vorbereitet waren und somit vertrieb auch schonmal eine Tonne. Die Funkreichweite der Funkgeräte war auch zu klein, weswegen der Wettfahrtleiter dem 1,2 Seemeilen entfernten Luvtonneleger nicht sagen konnte, wo denn die Luvtonne liegen soll. Ach ja und das ein oder andere GPS Gerät oder Entfernungsmesser gab auch den Geist auf (ich weiß Greifswalder Wettfahrtleiter brauchen sowas nicht).
Freitag hatten wir mal mehr Wind und auch mehr Welle, was zu Kenterungen und Übelkeit führte. Die Ankerwinsch hat es dann auch noch erwischt, weswegen 40 Meter Kette per Hand hochzuholen waren.
Samstag fuhr dann auch noch eine Fähre mitten durch unser O-Jollen Feld, weswegen wir die Wettfahrt kurz vor Zieleinlauf abbrechen mussten. Die Fahrrinne war ihm wohl zu klein, da die Seebahn ihre Luvtonne über die Fahrrinne gelegt hatte. Sonntag wurde dann komplett abgesagt, aufgrund von Flaute, wodurch wir früh mit dem Abbauen der Boote fertig waren.
Alles in allem also eine Woche kostenloser Urlaub, bei Sonne satt mit wenig Wind im wunderschönem Travemünde und zwischendurch mal ein wenig arbeiten. Ein wenig lernen konnte ich auch noch. Entfernungsmesser und GPS Geräte können durchaus nützlich sein, mehrere Tonnenleger sind druchaus hilfreich, besonders bei häufigen Gebrauch von “Charlie”.
Jetzt schreib ich das gerade am Montag danach, den ich mir freigenommen habe. Manchmal brauch man auch Urlaub vom Urlaub…
Heiße Grüße aus Hamburg,
Mattes Köppe
PS: Übrigens brauch man auch als 60 Jähriger Opi in Travemünde einen Personalausweis um in die Diskothek zu kommen…