Ein schöner Regattabericht mit Geschichtsunterricht von Michael Schulz.
Die Schweizer Meisterschaften der 5.5Class fanden in diesem Jahr auf dem Neuenburger See in dem kleinen Ort Grandson statt. Nachdem Karl der Kühne (ihr wisst schon, der Burgunderherzog) im Jahr 1476 in der Schlacht von Grandson von den Eidgenossen besiegt und vertrieben wurde, wollten wir nun in seinem Gedenken selbige zwar nicht vertreiben, aber wenigstens versuchen, einige von ihnen zu besiegen. Die Eidgenossenschaften wurden gegründet durch eine Urkunde aus dem Jahr 1291, besiegelt von den drei Waldstätten Uri, Schwyz und Unterwalden und stellten ein lockeres Geflecht geprägt von starken Machtinteressen der einzelnen Mitglieder dar (diese Konstellation kommt einem als Mitglied einer Klassenvereinigung ziemlich bekannt vor-oder nicht?).

Grandson – Ort des Geschehens. 1476 und 2016!
Wenn man diese Historie kennt, fragt sich doch jeder, wer soll diese Kerle denn bloß besiegen? Nun, hin und wieder ist dies das ein oder andere Mal einigen Menschen (na gut, meistens waren hierfür ganze Armeen notwendig) gelungen und so wollten wir es den Helden vergangener Tage gleich tun. Solch ein Vorhaben ist jedoch, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, verdammt schwer umzusetzen, da in der 5.5mClass die eidgenössische Streitmacht mehr oder weniger die Weltspitze mitbestimmt.
Auf der Regattabahn tummelten sich nun 17 Boote und wir hatten als unsere optimistische Zielvorgabe einen Top 10 Platz ins Auge gefasst oder wenigsten nicht Letzter werden, wie beim Flautentreiben in Morges geschehen (ich kann euch sagen, das ist ziemlich bitter und nagt am eigenen Ego L). Die Winde auf dem See müssen Karl den Kühnen damals wohl auch schon verwirrt haben, denn die kommen von links oder rechts oder von vorn oder von hinten oder von oben oder von unten (letzteres nun weniger, glaube ich J ). Am ersten Tag hatten wir 1-2 Bft. und man musste schon verdammt nach Wolken und Windkanten schauen. Tobi, Steffu und ich hatten ein einigermaßen glückliches Händchen und kamen zweimal als vierte ins Ziel, was auf der Liste dem dritten Tagesrang entsprach.
Wir waren recht zufrieden und besuchten am Abend eine portugiesische Begegnungsstätte in der Männer und Frauen gerade einen Tanzkurs absolvierten. Da meine beiden Mitsegler nicht mit mir tanzen wollten (warum eigentlich nicht? – sonst ist uns doch auch fast nichts peinlich) haben wir Fußball geschaut und schlecht gegessen, wobei Tobi der arme Kerl auf dem Stuhl eingeschlafen ist (lag aber vielleicht auch an Deutschland-Polen J).
Freitag gab es drei tolle Wettfahrten mit Sonne, Regen, wenig und sogar etwas mehr Wind. Ein Bedienungsfehler und eine grandiose taktische Fehlentscheidung durch Michael den Blöden, warfen uns in den ersten zwei Rennen etwas zurück. Da besannen wir uns auf alte eidgenössische Tugenden und skipperten im abschließenden Lauf als zweite ins Ziel. So etwas entschädigt für den Opti-Anfängerfehler in der zweiten Wettfahrt und meine Mannschaft konnte zufrieden das Nachtessen und Trinken im Clubhaus genießen. Die wichtigste Erkenntnis an diesem Tag war jedoch, dass wir nach und nach unseren Bootsspeed optimieren können und auch in der Lage sind, besser auf veränderte Bedingungen (und die ändern sich auf diesem See im Minutentakt) richtig zu reagieren.
Da maximal sieben Wettfahrten ausgeschrieben waren, hatten wir an Tag drei also noch zwei von diesen zu absolvieren und wollten eigentlich unseren vierten Listenplatz untermauern (schon Karl der Kühne war etwas größenwahnsinnig).

Der Neuenburger See, diesmal ohne Wind. ;-)
Nach unserem morgendlichen Sport kam es beim Duschen schon zu Verzögerungen, da sich die Jugendherberge fest in der Hand chinesischer Radwanderer befand, welche morgens um 07.30 Uhr zum kollektiven Duschen antraten und die sanitären Anlagen ein wenig blockierten, so dass wir uns sputen mussten, pünktlich am Hafen zu erscheinen. Und nun – Überraschung – mal etwas ganz Neues, nämlich totale Flaute. Ich nutzte die Wartezeit um einen Blick in die Festung der Stadt zu werfen, welche Bestandteil der Burgunderkriege gewesen ist (im Hafen erzählen sich Segler ja sowieso nur immer wieder dieselben Geschichten vom Segeln J). Mit ca. zweistündiger Verspätung wurde das erste Rennen angeschossen und wir segelten sauber und solide einen guten sechsten Platz heraus, also alles im Plan.
Wahrscheinlich hatte ich vor einer erneuten Belagerung des Ortes wie 1476 Angst (diesmal eventuell sogar durch Chinesen? J) und wollte schnell nach Hause. Warum sonst fährt man etwas eher als die anderen los und muss dann auf der Rangliste statt Platz Nummer 7, wie der Zieldurchgang, ein OCS zur Kenntnis nehmen. Na jedenfalls waren wir uns alle drei gemeinsam keiner Schuld bewusst, so dass wir uns bei der Preisverteilung über den sensationellen 6.Gesamtrang freuen konnten. Da fielen Tobi und mir die Verpackungsarbeiten im strömenden Regen nicht allzu schwer.
Wir hatten eine grandiose Veranstaltung und gratulieren unserem Freund Jürg Menzi zum Schweizer Meistertitel, auch wenn er sich um die entsprechende Party immer noch drückt. Dabei wollen wir doch unbedingt den Ort der Schlacht von Murten am 22. Juni 1476 – aber das wisst ihr ja –kennenlernen (Jürg wohnt dort).
Zum Schluss möchte ich mich bei meinen beiden Mitseglern und Freunden Tobi Glawe und Steffu Haftka recht herzlich bedanken. Jungs, das Segeln mit euch ist die wahre Freude.